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REVIEWS



Sündige Versuchung   

Sündige Versuchung
    
Original: Felicity   (Australien, 1979)
Laufzeit: ca. 90 Min. (PAL)
Studio: Donau Film
Regie: John D. Lamond
Darsteller: Glory Annen, Marilyn Rodgers, Joni Flynn, Christopher Milne
Format: 1.85:1 Widescreen (16:9)
Ton: DD 2.0 Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Extras: Kinoversion
Preis: ca. 14 Euro
Wertung: 2-/ 3-/ 2- (Bild/Ton/Extras)


"Softsex ohne Hausfrauen auf der Alm"

Wie setzt man sich mit dem Sofsexfilm der 1970er auseinander? Das ist eine schwierige Frage, denn "den" Softsex/Sex-Film gibt es eigentlich nicht. Da hat man aus deutschen Landen etwa die "Report"-Filme, die, allem Erfolg zum Trotz, filmisch eher enttäuschende Billigproduktionen waren. Größtenteils mit Laiendarstellerinnen besetzt, wurden sie schludrig runtergekurbelt und sollten vor allem die Bedürfnisse des notgeilen Männerpublikums befriedigen. Ob es in der Lederhose juckte, der Kumpel im falschen Ruhrpottdialekt übers Sackhüpfen philosophierte oder das Schulmädchen mit schwedischen Touristinnen Hausfrauen vernaschte: Inszenatorisch überrascht höchstens eine gewisse Nähe zum deutschen Schlagerfilm jener Zeit.
Aber dann gab es auch französische Filme wie "Bilitis", über den das Lexikon des internationalen Filmes zwar hämisch schreibt, es sei eine "Love Story im Stil entsprechender Männermagazine", dabei aber nicht unerwähnt lässt, er sei doch "erlesen fotografiert." Und auch die Filme der "Emmanuelle"-Reihe wurden nicht nur mit einem Weichzeichner vor der Linse inszeniert. Hauptdarstellerin Sylvia Kristel entwickelte sich sogar zeitweise zu einem über die Genregrenzen hinaus populären Star, die Filme feierten die sexuelle Befreiung, richteten sich an Mann und Frau blieben dabei überraschend zurückhaltend in der Darstellung von Sexualität und regten vielmehr die Phantasie der Zuschauer an.

Auf den Erfolgszug eben dieser "Emmanuelle"-Reihe sprangen nicht nur europäische Filmemacher auf. "Sündige Versuchung" etwa kommt aus Australien, Hauptfigur ist Felicity, eine Klosterschülerin, die nach ersten homoerotischen Erfahrungen mit ihrer besten Freundin zu Verwandten nach Hongkong reist, wo sich sich ganz und gar ihrem sexuellen Erwachen hingibt.

Nun ja, für einen Oscar reicht die Handlung nicht wirklich. Die Inszenierung ist jedoch gediegen und orientiert sich klar an "Emmanuelle" und arbeitet mit den gleichen Weichzeichnern; der Schnitt ist ruhig, ohne Hektik. Überraschend ist Felicitys erstes sexuelles Erlebnis mit einem Mann: Das ist abstoßend. Sie gibt sich einem älteren Mann hin, der sie als Sexobjekt betrachtet, als ein Stück Fleisch, an dem er sich austoben kann. Dies ist ein Moment von solch brutaler Radikalität, den man von einem Film wie "Sündige Versuchung" nicht erwartet. Der Regisseur hält in diesem Moment seinem (männlichen) Publikum einen Spiegel vor und zwingt es, sich mit Felicity zu identifizieren, indem er ihre Abscheu inszeniert und die Geilheit des Mannes als das darstellt, was sie ist: Widerlich.

Erstaunlich ist auch die Menge an Handlung, die der deutsche Verleiher einst aus dem Film herausschnitt, um ihn - geiler? - zu machen. Die einst in der deutschen Fassung nicht verwendeten Szenen wurden vom DVD-Verleiher in der nun ungeschnitten vorliegenden Veröffentlichung nicht synchronisiert - und es ist erstaunlich, wie oft die Darstellerinnen und Darsteller plötzlich Englisch miteinander reden. Die Verstümmelung der deutschen Fassung geht sogar so weit, dass dem deutschen Publikum einst das Ende des Filmes vorenthalten wurde. Und wirklich bizzar wird es in dem Augenblick, in dem der Zuschauer der Gegenwart realisiert, dass ausschließlich Handlung aus der deutschen Kinofassung geschnitten worden ist. Kein Sex. Nur Handlung!

Sollte das deutsche Publikum nicht überfordert werden? Mit einer Geschichte? Mit Handlung? Es ist nicht so, dass die ausgelassenen Szenen nun eine Geschichte erzählen würden, die den Zuschauer staunen ließe. Nein, Felicity lernt vielmehr einen jungen Mann kennen, in den sie sich wirklich verliebt. Das ist nun nicht unbedingt eine Handlung, die besondere Aufmerksamkeit vom Zuschauer verlangt. Doch letztlich widerspricht diese Geschichte dem deutschen Kinoschnitt, der letztlich eine Verfremdung der Geschichte vornahm: Während in der australischen Fassung jener Mann, der Felicity entjungfert, als ein fieses, dreckiges, widerliches Schwein dargestellt wird, wird er in der deutschen Fassung zum geilen Hengst, mit dem sich das Publikum identifizieren soll.
Man sollte mit den seinerzeit Schnittverantwortlichen mal ein ernstes Gespräch führen...

BILD

Sündige Versuchung

Da über dem gesamten Film ein Weichzeichner "hängt" wirkt er zwar etwas zu weich für heutige Seh-Verhältnisse, auf der anderen Seite hat der Weichzeichner den Film überraschend gut konserviert. Der Verleiher musste keine Farben neu regulieren, der gesamte Film darf aufgrund seiner Farbdramaturgie etwas matt wirken. Das ist durchaus gewollt. Weichzeichnererotik eben.

TON

Sündige Versuchung

Beim Ton darf man keine Wunder erwarten. Der ist in der australischen Fassung nicht frei von Rauschen, im Gegensatz zur deutschen Fassung, die dafür allerdings ziemlich dumpf klingt. Hier hätte der Verleiher möglicherweise eine Überarbeitung vornehmen können, es ist heute technisch nicht unbedingt ein Problem, einem Ton etwas mehr Tiefe zu verleihen.

EXTRAS

Als Extra lässt sich die bereits barsch kritisierte deutsche Kinofassung aufrufen.

FAZIT

"Sündige Versuchung" ist sicher kein verkanntes Meisterwerk, das auf seine Wiedererweckung gewartet hätte. "Sündige Versuchung" ist aber eben auch kein bumsfideler Reportfilm. Es ist ein Kind seiner Zeit, dem genau diese Zeit gnädig mitgespielt hat. Die DVD-Gestaltung (Vollfassung plus deutsche Kinofassung) ist für einen Film dieser Art überdurchschnittlich.



Christian Lukas