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REVIEWS



Hans im Glück aus Herne 2   

Hans im Glück aus Herne 2
    
Original: Hans im Glück aus Herne 2   (Deutschland, 1981 / 83)
Laufzeit: ca. 310 min
Studio: e-m-s
Regie: Roland Gall
Darsteller: Peter Danneberg, Frank Schlosinski, Tana Schanzara, Claudia Minervino
Format: 4:3 Vollbild
Ton: DD 2.0 Deutsch
Untertitel: --
Extras: 30 Jahre danach (Dokumentation), Doku von den Dreharbeiten, Filmmusik
Preis: ca. 30 Euro
Wertung: 3 / 3+/ 1 (Bild/Ton/Extras)


"Wanne-Eickel 1983"

Wussten Sie, dass Wanne-Eickel die am dichtesten besiedelte Großstadt Europas gewesen ist? 1975 verlor die Ruhrgebietsstadt ihre Eigenständigkeit und ging in der Stadt Herne auf. Eigentlich sollte eine Fusion auf Augenhöhe stattfinden, doch am Ende blieb von Wanne-Eickel kaum mehr als eine Postleitzahl übrig: Herne 2.

"Hans im Glück aus Herne 2" ist ein Stück vergessener Fernsehgeschichte: Eine Serie, die sich heutigen Sehgewohnheiten verschließt, die es aber auch schon 1983, als das ZDF die Reihe ausstrahlte, den Zuschauern wahrlich nicht leicht machte. Von einigen wenigen Darstellerinnen und Darstellern abgesehen - wie Ruhrpottüberoma Tana Schanzara - besetzte Regisseur Roland Gall sämtliche Rollen mit Laien, mit jungen Erwachsenen aus dem Umfeld Hernes.

"Hans im Glück aus Herne 2" ist das Porträt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die am Rand der Gesellschaft leben. Nicht etwa auf Platte. Nein, irgendwie sind sie schon noch ein Teil der amorphen Mitte. Aber einer Mitte, die sich in Auflösungserscheinungen ergeht. Sie sind arbeitslos, und ohne Arbeit bietet ihnen ihr Leben keine Perspektive. Sie müssen irgendwie über die Runden kommen. Sie wollen rebellieren, doch fehlt es ihnen an einem Ziel. Sie sind die Verlierer, die abgehängt wurden. Dabei geht es nicht um die Frage nach Schuld oder Unschuld. Regisseur Roland Gall ist nur Chronist eines Zersetzungsprozesses, den er halb-dokumentarisch verfolgt.
Herne 2, das ist mehr als eine Postleitzahl. Herne 2 ist ein Synonym. Wanne-Eickel, einst eine pulsierende Industriestadt, dichter besiedelt als jede andere Stadt in Europa - ist nur mehr ein Anhängsel einer anderen Großstadt. Und was sind die Menschen aus diesem Herne Nummer 2?

Eine Geschichte wie die von "Hans im Glüch aus Herne 2" könnte auch im Zeitalter von Hartz IV spielen. Irritierend ist ihre Zeitlosigkeit - vor allem, da die Serie nun wahrlich ihr Alter nicht verleugnen kann. Die oft enervierend langen Kameraeinstellungen, der simple Schnitt - aber natürlich die gesamte Ausstattung, aus deren Poren die frühen 80-er Jahre nur so triefen, seien zu nennen. Doch jenseits dieser offensichtlichen Alterserscheinungen bleibt die Geschichte: Und die ist eben alles andere als ein Relikt der Vergangenheit.

Peter Dannenberg heißt der Hauptdarsteller. Er ist Hans Koletka, 16 Jahre. Kurz vor seinem Schulabschluss erkennt er, dass die Welt, in der er lebt, auf einen wie ihn, mit einem eher mauen Zeugnis und nur wenigen herausragenden Fähigkeiten, nicht gewartet hat. Dabei verlangt er nicht viel vom Leben. Er träumt von einer Lehrstelle als Schreiner, er ist heimlich in Ines verknallt, alles was er möchte ist ein kleinbürgerliches Leben wie es die Erwachsenen in Herne 2 führen. Doch Hans bleibt auf der Strecke. Eine Lehrstelle findet er nicht. Was ihm bleibt sind die Treffen mit seinen Kumpanen am Kiosk, wo sie ihren Frust mit Alkohol betäuben.

BILD

Hans im Glück aus Herne 2

Das Bild ist anschaubar, aber alles andere als gut. Doch den Verleiher trifft hier keine Schuld, es ist das Ausgangsmaterial, an dem der Zahn der Zeit genagt hat. Es ist das Phänomen vieler TV-Serien aus den 1980-er Jahren: Sie wirken heute zergrieselt und blass. Worauf hat man damals eigentlich gefilmt, auf Sandpapier? "Hans im Glück aus Herne 2" sieht teilweise so aus, als hätte Regisseur Gall nur bei Smog-Wetterlagen die Kamera zum Dreh aufgestellt. Dabei hat der Verleiher nun wirklich ganze Arbeit geleistet: Farben wurden intensiviert, Schärfen neu geregelt, die hier vorliegende DVD bietet definitiv das Optimum dessen, was technisch machbar gewesen ist.

TON

Hans im Glück aus Herne 2

Auch der wurde bearbeitet, was bearbeitet werden konnte: die Stimmen wirken relativ klar, auch der sehr ruhige Soundtrack kann sich hören lassen. Viele Nebengeräusche verleihen dem Film Authentizität und passen zu seinem halb-dokumentarischen Charakter. Das Alter ist ihm dennoch anzuhören.


EXTRAS

Das Herzstück der Extras bildet ein reich bebildertes Begleitheft mit vielen Zeitungsartikeln, die in der Region zur Serie entstanden sind. Ach ja: Auch ein Bericht aus der Bravo fehlt da nicht, denn Peter Danneberg mag nach dieser Produktion nie wieder vor der Filmkamera gestanden haben, aber für einen kurzen Moment interessierte sich sogar die Teenie-Presse für den jungen Mann aus dem Ruhrgebiet, der seinen kurzzeitigen Erfolg jedoch nicht weiter vermarktete. So ändern sich die Zeiten. Heute würde er vermutlich von Talkshow zu Talkshow geschickt, wo er als Star gehandelt würde: Vom arbeitslosen Jungen aus der Herne 2 zum Serienstar.

Zu den weiteren Extras gehört ein TV-Bericht aus dem Jahre 1983 und eine von E-M-S produzierte Dokumentation, in der die Darsteller von einst zu Wort kommen. Alle gehen heute bürgerlichen Berufen nach. Keiner der Darsteller nimmt ein Blatt vor den Mund, man sieht echte Interviews mit Menschen, hinter denen keine PR-Agenten stehen, die ihnen die Worte in den Mund legen. Amüsant ist eine Art Outtake, in dem Peter Danneberg vor seinem Fernseher Ausschnitte der Serie kommentiert.

Ganz klar: Der Verleiher hat wirklich alles getan, um die Serie zu würdigen. Mit viel Liebe wurden die Extras erstellt, da können die meisten Hochglanz-Produktionen nicht mithalten.

FAZIT

"Hans im Glück aus Herne 2" ist eine Serie, auf die man sich einlassen muss. Wer Ruhrpott-Romantik erwartet, wird enttäuscht. Action oder dramatische Wendungen fehlen ebenso. Als Zeitdokument aber ist "Hans im Glück aus Herne 2" eine Entdeckung. Und die Tatsache, dass die hier erzählte Geschichte nichts an Aktualität verloren hat, ist irgendwie deprimierend.



Christian Lukas