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REVIEWS



The Blind Man   

The Blind Man
    
Original: À l'aveugle   (Frankreich , 2012)
Laufzeit: ca. 94 min
Studio: Universum Film
Regie: Xavier Palud
Darsteller: Lambert Wilsin, Jacques Gamblin, Raphaëlle Agogué
Format: 2.35:1
Ton: DD 5.1 Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch
Extras: --
Preis: ca. 13 Euro
Wertung: 2 / 2 / 5 (Bild/Ton/Extras)


"Interessante Finanzierung, lahmer Film"

Luc Besson ist für allerlei Experimente bekannt. Hätte er vor einigen Jahren nicht das Undenkbare gewagt – nämlich im stolzen Kinoland Frankreich Filme auf Englisch für den internationalen Markt zu drehen: Es gäbe den Begriff Euro-Action nicht. Gut, eigentlich gibt es ihn auch nicht wirklich, denn Euro-Action = Luc Besson. Doch offenbar reicht es Besson nicht, ein Genre quasi erfunden zu haben. Besson hat mit „The Blind Man“ das Terrain des Crowdfundings oder auch Schwarmfinanzierung betreten. Und so wurde der Film, der auf seiner Drehbuchidee basiert, nicht auf klassischen Wegen finanziert, sondern tatsächlich über eine Schwarmfinanzierung – wovon der Nachspann zeugt: Dort werden Hunderte von Geldgebern aufgeführt.
Also, wenn dieser Film einen Gewinn einspielt, wird Bessons Buchhaltung ganz schön was zu tun kriegen, wenn es dann um die prozentuellen Anteile geht.
Wenn „The Blind Man“ jemals Geld einspielen sollte.
Keine Frage, Besson ist ein grandioser Produzent, er wird sich nicht in ein Abenteuer wie dieses ohne einen exakten Businessplan gestürzt haben. Warum er aber ausgerechnet für sein schwarmiges Finanzierungsdebüt ein so schwaches Drehbuch ausgewählt hat, das sollte er vielleicht einmal etwas genauer erklären.
Nun sind Action-Filme, die auf Bessons Ideen basieren, selten großes Drama. Aber Filme wie etwa die „Transporter“-Reihe, „Lockout“ oder „From Paris With Love“ machen dem aktionsaffinen DVD-Gucker stets großen Spaß. Coole Action, geile Typen, miese Schurken: Bei Bessons Filmen weiß man, was man kriegt – und wird selten enttäuscht. Leider gehört „The Blind Man“ zu diesen seltenen Enttäuschungen.
An sich beginnt die Geschichte spektakulär: Eine Frau wird ermordet, obschon sie einen Leibwächter engagiert hat. Mehr aber noch als das: Der Mörder zerlegt sie fein säuberlich. Dieses Verbrechen als krank zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung.
Als kurze Zeit später ein russischer Milliadär ermordet wird, sieht niemand einen Zusammenhang, schließlich erwischt es den Milliärdär, man könnte sagen, old-school-mäßig - er wird in die Luft gesprengt. Allerdings gibt es ein Detail, das den ermittelnden Commandant Lassalle stutzig werden lässt: Ein teurer Flügel im Haus des toten Russen. Auch die ermordete Frau besaß ein solches Instrument und im Zuge der Ermittlungen wurde auch ihr Klavierstimmer vernommen, der nicht ganz zu sein scheint, was er vorgibt zu sein. Allerdings gibt es ein Detail, das ihn offenbar als Mörder ausscheiden lässt: Der Mann ist blind.
An sich ist die Idee reizvoll. Wie überführt man einen Killer, der eigentlich kein Killer sein kann. Und die Darstellung Lambert Wilsons ist über jeden Zweifel erhaben. Der Franzose, dessen bekannteste Rolle die des Merowingers in "Matrix 2" und "Matrix 3" gewesen sein dürfte, verkörpert den stets überlegt handelnden Tatverdächtigen mit Bravour und auch sein Gegenspieler Jacques Gamblin gibt einen interessanten Charakter: Commandant Lassalle ist ein Grenzgänger, der den Tod der Frau nicht überwinden kann und mit Selbstmordabsichten nachts mit 180 über enge, städtische Autobahnen jagt, in der Hoffnung, vielleicht irgendwann an einem Betonpfeiler zu enden.
Der Film scheitert nicht an seinen Hauptdarstellern, er scheitert an einer nicht ganz unerheblichen Kleinigkeit: Dem Fehlen von Spannung. Ab dem zweiten Mord wird nur noch geredet. So viel, dass man darüber fast den Hinweis auf die Motivation des Täters überhört. Dass hinter den Morden keine simple Mordlust steckt, das wird schnell klar. Doch gelingt es nicht ein Interesse dafür zu wecken wirklich ergründen zu wollen, warum der Mörder zuschlägt und höchst unterschiedliche Mordmethoden wählt (was tatsächlich auch nicht so viel Sinn ergibt).
"The Blind Man" plätschert vor sich hin auf der Suche nach einem klaren Spannungsbogen, nach einer klaren Linie. Die aber findet er nicht.
Es wundert nicht, dass die Website von Bessons Schwarmfinanzierungsprojekt am Tag, als diese Rezension entstand, zwar aufrufbar, aber ohne Inhalt gefüllt war. Im Gegensatz zu seinem deutsch-finnischen Crowdfunding-Gegenstück "Iron Sky", das auf klassischen Wegen wohl kaum finanzierbar gewesen wäre, hat Besson ausgerechnet ein laues Kriminalfilmchen für sein Finanzierungsprojekt ausgewählt. Aus Sicht des Produzenten mag dies sogar einen Sinn ergeben: "The Blind Man" dürfte eher einen niedrigen siebenstelligen Betrag gekostet haben (viel teurer als ein durchschnittlicher "Tatort" dürfte er kaum gewesen sein). Dieses Geld holt eine Besson-Produktion relativ schnell wieder rein, sodass all die Co-Produzenten ihre kleinen Anteile wohl refinanziert bekommen. Und da Film vor allem eines ist - Geschäft! - wird der Geschäftsmann Besson - aus dieser Perspektive betrachtet - am Ende alles richtig gemacht haben.
Für den Zuschauer aber bleibt "The Blind Man" eine große Enttäuschung!

BILD

The Blind Man

Der Transfer lässt keine Wünsch offen. Der Anfang des Filmes - der Frauenmord - ist ein kleines Meisterstück des Dunkelkinos und seiner perfekten Übertragung auf den Bildschirm. Fein sind die Konturen der Schauspielerin im Dämmerlicht zu erkennen, Blockbildungen oder ähnliche Fehler, die gerne auftauchen, wenn ein Bild dunkel wird, sucht der Zuschauer vergebens. Auch wenn der Film nicht gerade viel an Schauwerten liefert, technisch ist das, was die DVD liefert, eindwandfrei und nicht zu bemängeln.

TON

The Blind Man

Was fürs Bild gilt, gilt mit Abstrichen auch für den Ton. Mit Abstrichen, da das Ton-Department in Frankreich nicht allzu viel bei diesem Film zu tun hatte, außer die Stimmen ordentlich auszupegeln. Wie gesagt, es wird viel geredet, Action gibt es nur in kleinen Dosierungen. Wenn mal etwas geschieht, ist das gediegen und stellt weder die Boxen noch die Ohren vor größere Herausforderungen. Was für den Originalton gilt, gilt ebenso für die deutsche Bearbeitung. Das ist alles in Ordnung.

EXTRAS

Also, dafür gibt es ein dickes Minus, denn ausgerechnet dieser Film, dessen Produktionsgescichte sicher hoch interessant für eine kleine Dokumentation wäre - bleibt frei von Extras fast aller Art (außer Trailern). Also, ein kleines Interview mit Luc Besson wäre doch bestimmt ohne größeren finanziellen Aufwand möglich gewesen. Aber: Nix. Rien. "Qu'est-ce que c'est, Monsieur Besson?"

FAZIT

So interessant die Produktionsgeschichte und die Ausgangssituation der Handlung, so uninteressant plätschert doch die Story vor sich hin. Sie verschießt ihr Pulver frühzeitig und vergisst nachzuladen. Eine gute Idee wird in Beliebigkeit aufgerieben.



Christian Lukas