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REVIEWS



Landstreicher, Die   

Landstreicher, Die
    
Original: Die Landstreicher   (Österreich/BRD, 1967)
Laufzeit: ca. 110 min PAL
Studio: Pidax
Regie: Peter Dörre
Darsteller: Helge Roswaenge, Heinz Erhardt, Elfriede Ott
Format: 1.33:1
Ton: DD 2.0 mono Deutsch
Untertitel: --
Extras: --
Preis: ca. 11 Euro
Wertung: 5 / 4 / 6 (Bild/Ton/Extras)


"Früher war nicht alles besser..."

Warnung: Die folgende Kritik wird barsch ausfallen, vielleicht sogar gemein. Unfair ist dies gegenüber dem Verleiher des Filmes, Pidax. Pidax ist ein Verleiher, der sich in gewisser Weise darauf spezialisiert hat, deutsche TV-Filme aus den 1950er- bis 1980er-Jahren dem DVD-Publikum zugänglich zu machen. Filme, die oft dem Vergessen anheim gefallen sind, die man oft Jahrzehnte nicht zu sehen bekam. Da der Markt für solche Produktionen überschaubar ist, muss man als Zuschauer gewisse Abstriche etwa bei der Bildqualität hinnehmen. Fernsehproduktionen galten in der öffentlichen Wahrnehmung lange Zeit als minderwertige Konsumprodukte im Vergleich zu Kinoproduktionen; was in den 60ern produziert wurde, landete als Filmkopie nicht unbedingt in einem wohl temperierten Lager. Ehrlich gesagt, manchmal will man gar nicht wissen, wo die Filmkopien Jahrzehnte lang gelagert worden sind. Im Fall von „Die Landstreicher“ etwa würde die Erklärung – die Kopie lag bei Tante Martha seit 1973 unterm Sofa – durchaus als realistisch durchgehen. Das Bild ist eine einzige Katastrophe.
Wer nicht bereit ist, gewisse Qualitätsabstriche hinzunehmen, ist bei Pidax falsch. Eine Restauration kostet Geld. Und nicht gerade wenig. Und bei einem doch sehr übersichtlichen Interessentenmarkt würde man dieses Geld niemals refinanzieren können. Wer sich auf Filme aus dem Hause Pidax einlässt, wird dafür jedoch immer wieder belohnt. So brachte der Verleiher unlängst „Das Rätsel von Piskov“ auf Silberling heraus, eine deutsche Fake-Reportage über eine angeblich zeitreisende junge Dame, die 1969 in einer kleinen tschechischen Stadt auftaucht. „Das Rätsel von Piskov“ war 35 Jahre nicht im TV zu sehen – und ist ein Knaller, den man gesehen haben muss um glauben zu können, dass deutsches Fernsehen einmal unfassbar kreativ und intelligent gewesen ist.

Tja, intelligent und kreativ war und ist „Die Landstreicher“ allerdings nicht. Und ein Etikettenschwindel ist der Titel obendrein. Groß beworben nämlich wird er mit dem Namen Heinz Erhardt. Dumm nur, dass es 42 Minuten braucht, bis er endlich auftritt – um dann auch nach zwei Auftritten schon wieder zu verschwindet. Um das zu verstehen, muss man hinter die Kulissen schauen. „Der Landstreicher“ ist eine österreichische Produktion, die jedoch vom ZDF coproduziert wurde. Und mag es 1967 auch noch keinen Quotendruck oder eine private Konkurrenz fürs eigene Programm gegeben haben, brauchte das ZDF für die deutsche Ausstrahlung zumindest einen deutschen Namen, um das Publikum in der Guten Stube vor den Fernsehapparat zu locken. So also wurde Erhardt nach Österreicher geschickt, er absolvierte seine Kurzauftritte - und selbst über 30 Jahre nach seinem Tod muss sein Konterfei noch dafür herhalten, diese ORF-Produktion dem deutschen Publikum zu verkaufen. Einem Publikum, das auf ganzer Linie enttäuscht sein wird, denn „Die Landstreicher“ ist nichts anderes als ein abgefilmtes Theaterstück. Halt, nein, es ist eine abgefilmte Operette. Carl Michael Ziehrer schrieb sie Ende des 19. Jahrhunderts. Es wird also viel und „lustig“ gesungen, es treten fesche Gendarmen auf, freundliche Dorfleute und – es gibt das Landstreicherpärchen Fliederbusch und Berta. Die sind ach so vergnügt, obwohl sie gleich zu Beginn in Gewahrsam landen. Doch ach, sind können ja fliehen, weil Fliederbusch an sich ein ansehnliches Schnuckelchen ist, das, kaum dass er einem Assessor die Robe stiehlt prompt für diesen gehalten wird. Flugs verbleibt er in der Rolle, befreit sein holdes Weib Berta und als auch noch ein gestohlenes Schmuckstück in seinen Besitz gerät, ach ja, da wird gesungen, geschunkelt und irgendwie auch gekalauert.

Das ist so mies, dass man es sich nur im Schnelldurchgang anschauen kann. In billigen Theaterkulissen wird der seichte Operettenstoff zu einer noch weicheren TV-Produktion verbraten, die brav Bilder abfilmt, ohne auch nur einen Moment lang etwas anderes sein zu wollen als abgefilmtes Theater. Spannung, Dramatik? Fehlanzeige. Der Humor? Welcher Humor? Die Darsteller chargieren statt zu agieren, alle Vorurteile, die man gegen Operetten haben kann – werden in dieser Inszenierung mit dem Vorschlaghammer bestätigt. Und komme nun niemand mit dem Hinweis: Diese Produktion ist aus dem Jahr 1967, man darf sie nicht aus dem Blickwinkel des Jahres 2013 betrachten.
Darf man doch – wenn man sich zumindest versucht in die Zeit der Entstehung zurückzuversetzen. Und aus diesem Blickwinkel betrachtet – war „Die Landstreicher“ bereits 1967 ein Totalausfall, ein biederes Singsangspielchen, ohne auch nur einen einzigen Moment, der nach dem Anschauen nicht auch schon vergessen wäre.
Die deutschen Straßenfeger der 1960er Jahre belegen, dass es Fernsehmacher gegeben hat, die im Rahmen ihrer oft finanziell sehr beschränkten Möglichkeiten in der Lage gewesen sind, das Medium TV als Kunst- und Spannungsraum zu nutzen. „Die Landstreicher“ hingegen hätte ruhig bei Tante Martha unterm Sofa liegen bleiben können...

BILD

Landstreicher, Die

OMG! Wo soll man anfangen? Etwa bei dem milchigen Schleier, der sich über viele Szenen legt? Kontraste sind in diesem Film ein Glücksfall, die Schwarzweiß-Werte schwanken zwischen milchig-grau und hellgräulich-grau. Gesichterpartien, etwa Wangenknochen, verschwinden oft regelrecht unter weißen Flecken, wobei leider sämtliche Konturen des betreffenden Gesichts verloren gehen. Unschärfen gehören ebenso zu den Negativpunkten wie das feine Grieseln, das sich eigentlich permanent übers Bild legt. Dieses Grieseln kennt man von uralten Videokassetten, was die Frage stellen lässt: Von welcher Art von Bildträger wurde die DVD-Version digitalisiert? Zur Mitte des Filmes etwa treten kurzzeitig Bildstörungen auf, die an Interferenzen vergangener Fernsehantennenempfangszeiten erinnern. Ältere Semester erinnern sich an kurzzeitig auftretende Wellen im Bild, die etwa dann durchs Bild wabberten, wenn ein Gewitter herrschte oder einfach jemand gegen die auf dem Fernseher stehende Antenne stieß, was sofort mit einem Flackern bedacht wurde. Solche Störungen können auch auf in die Jahre gekommenen Videobändern auftreten. Was bedeutet, dass Pidax lediglich eine Magnetaufzeichnung zur Digitalisierung vorlag. Die Interferenz-Störungen auf jeden Fall lassen darauf schließen. So oder so: Spaß macht das nicht anzuschauen.

TON

Landstreicher, Die

Der Ton ist eine zwiespältige Angelegenheit. Das gesprochene Wort wirkt oft leise, manchmal verhallt – was sicher daran liegt, dass der Ton auf der Bühne live aufgenommen worden ist. Eine Nachbearbeitung des Gesprochenen Wortes fand offenbar nicht statt (ein Beleg dafür, dass die Produktion bereits 1967 eher schlampig umgesetzt worden ist). Dem gesprochenen Wort steht das gesungene gegenüber – und siehe da: Das ist gar nicht schlecht, ist recht ausgewogen (der Entstehungszeit entsprechend) ausgepegelt und klingt selbst heute noch ganz annehmbar (für Zuschauer, die Operetten mögen). In Bezug auf die Musik wurden auf jeden Fall im Jahre der Entstehung keine Mühen gescheut, um diese ordentlich auf Film zu bannen. Davon profitiert dann auch der Zuschauer der Gegenwart.

EXTRAS

Gibt es keine.

FAZIT

„Die Landstreicher“ ist eine lieblos heruntergekurbelte Operettenschmonzette, über die sich leider nichts, aber auch wirklich gar nichts Positives sagen lässt. Früher war eben auch nicht alles besser!



Christian Lukas