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REVIEWS



Oliver Twist (2005)   

Oliver Twist (2005)
    
Original: Oliver Twist   (Frankreich, 2005)
Laufzeit: 128 Minuten (PAL)
Studio: Universum
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Ben Kingsley, Jeremy Swift, Barney Clark, Jamie Foreman u.v.a.
Format: 2.35:1 Widescreen (16:9)
Ton: DD5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Extras: Making of, Interviews, Diarys u.v.m.
Preis: ca. 20 €
Wertung: 1-/ 2 / 2 (Bild/Ton/Extras)


"Der Waise aus dem Abendland!"

Nach „Der Pianist“ unternimmt Roman Polanski mit „Oliver Twist“ einen zweiten Versuch, seine schwere Kindheit im Kino aufzuarbeiten. Charles Dickens Geschichte des Waisen Oliver Twist, der vor grausamer Unterdrückung flüchten muss, spiegelt Polanskis eigene Vergangenheit wieder. Nach der gewaltsamen Trennung von seinen Eltern floh Polanski während des zweiten Weltkriegs aus dem Warschauer Ghetto und musste wie Twist auf eigene Faust überleben. Seine Version der bekannten Geschichte ist letztlich ein Testament an die Helfer solcher Flüchtlinge geworden – der Guten, aber auch der Bösen. Nachdem der kleine Oliver (Barney Clark) aus seinem Waisenhaus geworfen wurde, macht sich der Junge ganz alleine auf den Weg nach London, um dort sein Glück zu suchen. Im 19. Jahrhundert sind die Straßen der Metropole aber nicht nur dreckig sondern auch gefährlich – ganz besonders für kleine Jungen. Doch Oliver hat Glück. Er trifft einen Jungen, der sich selbst „The Artful Dodger“ (Harry Eden) nennt und zu einer Bande von Kinderdieben gehört. Diese fingerfertige Truppe wird von dem greisen Fagin (Ben Kingsley) unterhalten, der Oliver ebenfalls in die Kunst des Taschendiebstahls einführt. Doch auch der skrupellose Gauner Bill Sykes (Jamie Foreman) bedient sich Fagins Bande, die für ihn in reiche Villen einsteigen muss. Erst als der wohlhabende Buchhändler Brownlow (Edward Hardwicke) auf Oliver aufmerksam wird und ihm vertraut, scheint für das Waisenkind endlich ein Ausweg vom gefährlichen wie harten Straßenleben möglich zu sein. Charles Dickens zeichnete in „Oliver Twist“ das finstere Sittengemälde einer Zeit, in der arme Kinder die Objekte schamloser Ausbeutung einer grausamen Zwei-Klassen-Gesellschaft waren. Auch Polanski schwelgt in diesen Motiven, deren frühindustrielles Elend in der Kulisse des alten London (das gigantisches Set wurde in Tschechien gebaut) aber immer noch für’s Kino geschönt wirkt. Dafür scheut er sich nicht, die physische und psychische Geißelung der Kinder in dieser Zeit zu zeigen. Sein genialer Kniff bei der Neuinterpretation von „Oliver Twist“ ist aber die Veränderung der zentralen Figur des alten Fagin, der bei Dickens als rassistische Karikatur eines ausbeuterischen Juden dargestellt wird. Polanski läutert ihn als Erlöserfigur wider Willens, der seine Schützlinge zwar auch ausnutzt aber sie letztlich auch vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt.

BILD

Oliver Twist (2005)

Das anamorphe Widescreentransfer (2.35:1) ist im Gegensatz zum hübsch schmuddeligen Setting des Films eine wahre Augenweide. Die Vorlage ist tadellos und liefert eine große Detaildichte, bei der jeder Schmutzfleck an den Wänden und die versifften Straßen Londons fasst von der Mattscheibe ins Wohnzimmer schlotzen. Schärfe und Kontrast sind entsprechend sehr gut. Die vornehmlich dunkelbraune bis graue Farbpalette wird sehr kräftig dargestellt, die den sehr schön stilisierten Look des Films hervorragend wiedergeben. Der Schwarzlevel ist sehr und tief detailreich. Dennoch rutscht er in einigen Szenen etwas ins leicht milchige ab. Die Kompression ist absolut sauber und verhindert die Bildung von Artefakten und Hintergrundrauschen. Sehr gut.

TON

Oliver Twist (2005)

Der DD5.1 Track ist sehr dynamisch und konzentriert sich vornehmlich auf eine gute atmosphärische Präsentation. Regen, Matsch und das geschäftige Plaudern in den Straßen Londons mischen sich sehr schön in die Surroundkanäle. Auch die Gruppenszenen bei Fagins Kinderbande werden sehr schön räumlich dargestellt. Die Dialoge sitzen zumeist fest im Centerkanal, aber wandern auch mal gezielt in die restliche Soundstage. Die Musik mischt sich ebenfalls auf allen Kanälen sehr gut unter die restliche Kulisse. Störende Überlappen konnten nicht festgestellt werden.

EXTRAS

Die Extras der Deluxe Edition befinden sich komplett auf der zweiten Scheibe: bei dem “Making of” handelt es sich um die Standard-TV-Version, die in knapp 20 Minuten ein recht solides Bild der Produktion herunterreißt. Die Hauptdarsteller und Roman Polanski durfen ein wenig erzählen, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen. Als besserer Blick hinter die Kulissen gelingt mit den beiden Featurettes “Twist by Polanski” und “The Best of Twist” (zusammen ca. 50 Min.). Ausführlich erläutert Polanski hier seinen Ansatz für den Film und führt hinter die Produktionkulissen in Prag, bei dem er mit dem selben Team von “Der Pianist” zusammenarbeitete. Auch die Schauspieler dürfen hier ausführlicher über ihren Beitrag zu Dickens Figuren referieren. Die Ausstatter zeigen dafür die aufwendige Arbeit an den Kulissen und den Kostümen.
Wirklich interessant ist allerdings das “Childrens Making of” (26 Min.), bei dem eine Kamera die Filmkinder beim Erkunden der Produktion begleitet. Vom Kameramann bis zum Effektespezialisten löchern die Kindern ihre ‘Kollegen’ mit interessanten Fragen und zeigen ein sehr unverfälschtes und reales Bild der Produktion. Dazwischen gibt’s immer wieder witzige Momente, in denen Herumgealbert wird. Aber auch Seltenes ist zu sehen: zum Abschluss der Doku sieht man die Zerstörung der wunderschönen Filmsets. Da blutet nicht nur den Kindern das Herz. “Kidding with Oliver Twist” (ca. 5 Min.) dreht sich schließlich um den Oliver Twist Darsteller Barney Clark und wie er den Filmrummel erlebt hat.
Die fünf Kurzinterviews mit Barney Clark, Ben Kingsley, Jamie Foreman, Roman Polanski und Drehbuchautor Ronald Harwood sind mit jeweils knapp zwei Minuten wirklich sehr kurz gehalten. Wer die restlichen Featurettes schon gesehen hat, braucht hier wirklich nicht mehr reinzuschauen, da alles schon zuvor gesagt wurde.
Zur Vollständigkeit sind auch noch der Kinotrailer, ein TV-Spot und Auswahlfilmografien von Ben Kingsley und Roman Polanski zu finden.

FAZIT

Polanskis finsteres Sittengemälde der frühindustriellen Gesellschaft und das Schicksal des Dickensschen Waisenjungen wissen zu gefallen. Die DVD liefert eine technisch sehr gute Umsetzung und ein paar recht solide Extras. Diese Scheibe ist sicher kein Fehlgriff.



Kay Pinno