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REVIEWS



Durham County   

Durham County
    
Original: Durham County - Season 1   (Kanada, 2007)
Laufzeit: ca. 276 Min. (PAL)
Studio: Universum Film
Regie: Holly Dale, Adrienne Mitchell
Darsteller: Hugh Dillon, Helene Joy, Justin Louis (aka Louis Ferrera), Kathleen Munroe
Format: 1,78:1 Widescreen (16:9)
Ton: DD 5.1 Englisch, DD 2.0 Deutsch
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of
Preis: ca. 20 Euro
Wertung: 3 / 2 / 3 (Bild/Ton/Extras)


"Keine freundliche Nachbarschaft"

In Kanada mit Preisen überhäuft, in Deutschland auf dem Pay-TV-Sender RTL Crime verballert... "Durham County" ist ein starkes Stück Fernsehen, ein Drama, ein Thriller, eine bittere Betrachtung des westlichen Mittelstandes und seines moralischen Abstiegs, garniert mit einem kleinen Schuss "Twin Peaks".

Worum geht es? Zitieren wir einfach den Cover-Text: "Der Polizist Mike Sweeney zieht mit seiner Familie nach Durham County, in die scheinbar beschauliche Vorstadtidylle, in der er aufgewachsen ist. Als die Nachbarschaft jedoch durch mehrere brutale Morde erschüttert wird, wird schnell klar: ein Serienkiller treibt hier sein grausames Spiel. Bereits nach kurzer Zeit, glaubt Mike zwar die Identität des Mörders aufgedeckt zu haben, doch hat er keine Beweise. Schnell lernt er, dass er mir seinen Verdächtigungen auch aus anderem Grund vorsichtig sein sollte, denn die Person, die er für den Killer hält ist nicht nur eine lokale Berühmtheit, sie wohnt auch in seiner direkten Nachbarschaft. Außerdem ist der Verdächtige, Ray, ein alter Bekannter: Beide Männer verband zu Highschool-Zeiten eine enge Freundschaft, deren jähes Ende bis zum heutigen Tag an beiden nagt."

Das klingt nach einem gewöhnlichen, vielleicht spannenden Thriller. Doch der Sechsteiler ist mehr. Er fokussiert fast die gesamte Handlung auf seine beiden Hauptfiguren Mike und Ray. Von Anfang an ist klar, dass Ray mit den Morden zu tun hat. Die ersten Morde begeht noch ein umherziehender Serienkiller (dies ist die Eingangssequenz der Serie, dies ist also kein Spoiler, der überraschende Wendungen verraten würde). Doch in Ray, der die Morde beobachtet, wird durch diese Tat ein Funken entzündet, der Aggressionen, die seit Jahrzehnten in ihm glühen, zur Explosion bringen. Aggressionen die dadurch potenziert werden, dass er ausgerechnet an diesem Punkt seines Lebens Mike wiedertrifft.
Während Ray eine Verwandlung zum Monster durchläuft, bewegt sich Mikes Psyche auf einem Drahtseil der Emotionen. Ein falscher Schritt - und er kippt in die falsche Richtung. Durcham County ist der Albtraum einer Mittelschichtvorstadt. Tausende von netten Häuschen Reihe an Reihe, umgeben von gigantische Strommasten, die von weither die Annehmlichkeiten der Zivilisation ins County transportieren. Hier lebt der Mittelstand. Oder überlebt er hier bloß? Hier lässt es sich leben? Oder verschließt man nur die Augen vor der Realität? Vor den Hypotheken, die einen über Jahrzehnte der Gnade der Banken ausliefern? Vor der Perspektivlosigkeit, die selbst die Jugend erfasst, die, durchaus im Wohlstand lebend doch keine freie Entfaltung der Zukunft mehr vor Augen hat und sich in seltsamen Spielchen generiert, bei denen Sex zur Ware verkommt und ein Mord in der Nachbarschaft keinen Schrecken darstellt - sondern endlich mal etwas Spannung und Abwechslung?
Mike verschließt seine Augen vor dieser Realität. Er nimmt sie wahr, aber er schafft es sie vollkommen zu verdrängen. Doch dies gelingt ihm nur durch einen Betrug. Einem Betrug an seiner Frau Audrey. Die war an Krebs erkrankt, die Ärzte hatten sie bereits aufgegeben. Doch sie hat den Kampf überlebt und hier im County will Mike ein neues Leben mit ihr beginnen. In Wahrheit will er der jungen Lehrerin Nathalie nahe sein, die ihm, als er glaubte Audrey verloren zu haben, in einer Selbsthilfegruppe zur Seite stand. Er liebt seine Frau ohne Frage. Aber er liebt auch Nathalie, wenngleich ihre Liebe rein spirituell bleibt. Tatsächlich ist seine Liebe zu Nathalie jene Emotion, die ihn sein Leben erst erträglich macht, denn nicht nur der Leidensweg seiner Frau hat Mike innerlich zerstört, auch sein Partner starb und der Mörder ist frei, da eine Hausdurchsuchung beim potenziellen Täter verboten wurde.
Mike und Natalie... Als Mike einen Tipp bekommt, dass der Mörder seines Partners alleine daheim ist, entschließt er sich zur Selbstjustiz. Er fährt in die Stadt und führt einen Polizeieinsatz herbei. Die Polizei findet daraufhin im Haus die Tatwaffe. War seine Rache erfolgreich? Nein, denn während Mike seiner persönlichen Wut freien Lauf lässt - wird Nathalie ermordet. Mike verschweigt seinen neuen Kollegen im County seine Beziehung zu Nathalie - um ihren Mörder dingfest zu machen. Nur fehlt ihm so die Distanz zu den Ermittlungen. Eine fehlende Distanz, die Ray als Mörder ohne mit der Wimper zu zucken ausnutzt.

Die ersten vier von Holly Dale inszenierten Episode gehören wahrscheinlich zum Besten, was das Kriminalfernsehen je hervor gebracht hat. Die Regisseurin bleibt eine Beobachterin und überlässt ausschließlich dem Zuschauer seine Bewertung des Geschehens. Leider wechselt die Regie mit Folge fünf - und die ist großer Mist. Regisseurin Adrienne Mitchell nämlich wechselt die Perspektive, geht nah an die Figuren heran und moralisiert bedrohlich. Glücklicherweise ist das Buch der sechste und letzten Episode so stark, dass ihr aufdringlicher Stil letztlich keinen größeren Schaden anrichtet.

BILD

Durham County

Der Transfer fällt zwiespältig aus. Farblich lässt sich wenig Negatives sagen. Die Farben, es überwiegend gedeckte Blau- und Grüntöne, verleihen dem Bild seine kühle Atmosphäre. Allerdings kommt es bei schnellen Bewegungen hier und da zu Verwischungen, die einer Top-Serie wie "Durham County" schlecht zu Gesicht stehen und an sich kaum erklärbar sind. Auch neigt das Bild zu einigen Überschärfen, die vor allem bei Außenszenen ins Auge fallen.

TON

Durham County

Man glaubt, eine eher charakterbezogene Serie wie "Durham County" habe hier nicht allzu viel zu bieten. Das ist aber nicht so. Es ist dieser "Twin Peaks"-Moment, der selbst abgebrühten Zuschauern eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Gerade erst haben wir als Zuschauer die Ermordung Nathalies erlebt, wir haben gesehen, wie Ray ihren Körper in einen Fluss geworfen hat, wie ihr Körper, mit dem Gesicht nach unten, davontreibt - da steht Nathalie im nächsten Moment aufrecht am Ufer und betrachtet ihre unverletzten Hände, sie lächelt - bis ihr Blick auf den Boden fällt. Dort liegt ihr toter Körper.
Und Nathalie schreit.
Dieser Schrei beweist: Ein perfekter Ton ist keine Frage des Wumms, es ist eine Frage der Inszenierung, der Abmischung, der Geräuschkulisse, die über der Szene liegt. Und die ist in dieser Serie herausragend.

EXTRAS

Interessant am "Making of" ist die Beobachtung, dass alle Verantwortlichen hinter den Kulissen Frauen sind. Ob die Chefautorin, die Regisseurinnen, die Produzentinnen. Allein die Tatsache, dass dies ins Auge fällt beweist bedauerlicherweise, dass es längst nicht selbstverständlich ist, dass Top-Positionen bei TV-Serien von Frauen besetzt werden. Ansonsten hat das etwa 25-minütige Extra nicht so viel zu bieten. Man bekommt ein paar Einblicke in die Entstehungsgeschichte, das war's.

FAZIT

Die erste Staffel von "Durham County" - in Kanada wurde unlängst eine dritte Staffel produziert - ist Thriller-TV der Spitzenklasse. Düster, klasse gespielt, vielschichtig, erschreckend. Für Freunde anspruchsvoller Krimi-Unterhaltung eine uneingeschränkte Kaufempfehlung!



Christian Lukas