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REVIEWS



Steppensturm - Aufstand der Kosaken   

Steppensturm - Aufstand der Kosaken
    
Original: Тарас Бульба   (Russland, 2008)
Laufzeit: 126 Min (PAL)
Studio: Ascot Elite HE
Regie: Wladimir Bortko
Darsteller: Bogdan Stupka, Igor Petrenko, Wladimir Wdowichenkow
Format: 2,35:1 (anamorph)
Ton: DD 5.1 Deutsch, Russisch, DTS 5.1 Deutsch
Untertitel: Deutsch
Extras: ---
Preis: ca. 11 Euro
Wertung: 2 / 3 / 5 (Bild/Ton/Extras)


"Die Patr-idioten"

Patriotismus kann in einem Film, an der richtigen Stelle eingesetzt, ohne Zweifel manipulierend wirken. Ein Meisterstück dieser Form der Manipulation ist Mel Gibsons „Braveheart“. Wenn sein Protagonist William Wallace seine Männer in eine Schlacht führt, zuvor aber noch an ihre schottische Seele appelliert, dann mag der politisch korrekte Filmjournalist vor Schreck erbleichen. Das Perfide an Gibsons Appell an den Patriotismus seiner Hauptfiguren: Seine Rede ist in ein klares Spannungskonzept eingebunden und Teil der voranschreitenden Handlung. Sie steht nicht einen Moment für sich allein, ihr manipulativer Charakter geht vielmehr am Intellekt vorbei und landet direkt im Herzen. Segnet William Wallace schließlich das Zeitliche, wird er von den Engländern zu Tode gefoltert, sein letzter Laut aber kein Schmerzensschrei darstellt, sondern ein Ruf nach Freiheit – wer möchte sich da nicht den Kilt überziehen und gegen die Engländer in den Kampf ziehen (außer Engländern vielleicht?)?
Ja, „Braveheart“ ist ein Meisterstück der Manipulation. Distanz baut er durch den zeitlichen Abstand zum Geschehen auf. Engländer und Schotten leben heute friedlich nebeneinander, und so ist „Braveheart“ nur ein Film, bei dem auch Männer einmal weinen dürfen.
Weinen möchte man auch über „Steppensturm – Der Aufstand der Kosaken“. Aber nicht etwa, weil er zu Tränen rührt á la „Braveheart“, auch wenn Regisseur Vladimir Bortko Gibsons Werk sehr genau studiert hat. Verstanden hat er ihn nämlich nicht.
„Steppensturm“ basiert auf Nikolai Gogols Roman „Taras Bulba“. Er erzählt die Geschichte des Kosaken gleichen Namens, dessen Söhne nach Beendigung ihres Studiums in Kiew nach Hause zurückkehren. Nun ist es an ihnen, die Tradition des Vaters weiterleben zu lassen. Gemeinsam reisen sie zur großen Versammlung der Kosaken, jener freien Bauern, die sich aus der Knechtschaft des russischen Adels befreiten. Die Männer feiern, saufen, singen. Bis die Diener Taras’ die Versammlung sprengen: Taras Bulbas Hof wurde von polnischen Soldaten überfallen, seine Frau ermordet. Taras zettelt einen Aufstand gegen den Anführer der Kosaken, der einen brüchigen Frieden einem Krieg vorzieht, an und forciert dessen Absetzung, um Rache nehmen zu können.
Schon Gogols Roman ist nicht unumstritten, mag ihn Hemingway auch als einen der zehn besten jemals geschriebenen Romane bezeichnet haben. Ursprünglich war er ein Hochlied auf Gogols Heimat, die Ukraine. Das gefiel den russischen Zensoren nicht, also musste Gogol den Roman umschreiben. Bei alledem steckt in Gogols Mitte des 19. Jahrhundert erschienenem Werk eine interessante Geschichte, die zweifelsohne den Stoff für ein modernes Epos hergäbe. Da ist der junge Sohn, der sich in eine polnische Adlige verliebt und der die simple Gedankenwelt der Kosaken (ein Kosake kämpft für den orthodoxen Glauben, er liebt den Krieg und er liebt seine Kameraden) kritisch hinterfragt. Da ist Bulbas Order eine polnische Festung auszuhungern – womit er den Tod von Frauen und Kindern befiehlt. Ist es mit dem Glauben, den er so vehement vertritt und der doch Nächstenliebe predigt, vereinbar Frauen und Kinder zu ermorden? Ja, in Gogols nicht unumstrittenen Roman steckt Stoff für eine moderne Bearbeitung. Nur findet diese nicht statt. Statt dessen ist „Steppensturm“ in seinem Hurra-Patriotismus von einer solch erschreckenden Dummheit, dass wahrscheinlich selbst die zaristischen Zensoren der 1840-er Jahre über diese plumpe Form der Manipulation staunen würden.
Um es kurz zu machen: Der Film beginnt mit einer Erbauungsrede, die gefühlte 487 Mal die russische Seele und den Opfergeist der Kosaken anspricht. Danach wird es in einer Weise plump, dass man dem Film mindestens drei von vier Humorpunkten verpassen möchte – obwohl er nicht einen Witz erzählt. Ständig geht es um den Kampf, um die russische Seele, um das Blut, das für die Kameraden vergossen wird. Aus Patriotismus wird nur leider dumpfester Nationalismus. Und wenn es zur großen Schlacht kommt, wenn die Kameraden sterben – hält ein jeder, der in diesem Film eine Sprechrolle hatte, im Angesicht des Todes eine Rede über seine Liebe zum Glauben, dem Vaterland, seine Kameraden. JEDER! Da wird jeder Spannungsmoment vernichtet, der allerletzte Funken einer Dramaturgie geht im Kampfesgetümmel unter. Dabei zimmert die Patriotismuskeule nationalistischen Unsinn zusammen ... der einfach nur lächerlich wirkt. Unreflektiert und dumm. So merkt Bortko nicht einmal, dass die als böse dargestellten Polen in einem rechtstaatlichen System leben, die Kosaken in seinem Film aber letztlich nichts anderes als brandschatzende, dumme und heuchlerische Banditen sind. Aber wer das Lied der Heimat singt, darf eben auch ein brandschatzender Vollpfosten sein.
Dass in den Schlachtszenen darüber hinaus immer gelangweilte Statisten einfangen werden, die einen Säbel kaum aufrecht halten können ... Man glaubt nicht, wie schlecht ein Film sein kann...

BILD

Steppensturm - Aufstand der Kosaken

Das Bild ist ganz ordentlich, vor allem in den dunklen Szenen überrascht es aufgrund eines relativ fein herausgearbeiteten Farbspektrums. Allerdings könnte das Bild einen Tick schärfer ausfallen. Die Farben wirken oft etwas blässlich, etwas mehr Kontraste hätten gut getan.

TON

Steppensturm - Aufstand der Kosaken

Der Sound wirkt wird etwas sehr zurückhaltend. In der russischen Originalfassung bleibt der Ton sehr natürlich, aber es fehlt an Stärke. Er klingt zwar sauber, aber kann nicht wirklich begeistern. Die deutsche Fassung hat mehr "Wumms", allerdings wenn es kracht - muss man hin und wieder zur Fernsteuerung greifen und den Ton etwas regulieren. Die Synchro fällt in den Nebenrollen steif aus. Witzig: In der deutschen Fassung sprechen alle Charaktere mit deutscher Zunge. In der russischen Originalfassung hingegen sprechen die Polen Polnisch. Ein Erzähler, der immer wieder einige erläuternde Kommentare über das Geschehen abgibt (was durchaus Sinn macht, denn wer kennt schon sämtliche Details der Kosakenbräuche?), berichtet dann aus dem Off, was die polnischen Generäle planen, vor allem berichtet der russische Erzähler aber auch, wer die Männer an den Tischen sind, was in der deutschen Synchronfassung vollkommen fehlt.

EXTRAS

Da gibt es nichts, gar nicht. Auch wenn ein Begleitheft sicher interessant gewesen wäre. In der Ukraine beispielsweise wurden dem Film anti-ukrainische Tendenzen vorgeworfen, die sich dem westeuropäischen, in der Geschichte der Kosaken und der Ukraine wenig bewanderten Zuschauer nicht erschließen. Außerdem stellt sich nach der Ansicht des Filmes die Frage, ob Gogols Roman wirklich ernst gemeint war - oder ob es sich in Wahrheit um eine Satire handelt. Noch einmal: Gogol wollte ein großes Epos über seine Heimat - die Ukraine - schreiben. Das gefiel russischen Zensoren nicht. Also schrieb er den Roman um. Er schrieb Hurra, Hurra und Hurra und die Zensoren waren glücklich, denn nun waren die Russen gut, die Kirche noch besser und die Kameradschaft - unbeschreiblich. Doch in der literaturhistorischen Betrachtung gilt Gogol als ein Satiriker mit einem Hang zum Dämonischen. Und so wirkt auch der von ihm beschriebene Pariotismus in einer Weise übertrieben und überzeichnet, dass er letztlich nur als Parodie funktionieren kann.

Ist "Taras Bulba" also in Wahrheit Gogols Stinkefinger gegenüber den Zensoren, die bei all dem Hurra gar nicht bemerkt haben, als was für Vollpfosten die Protagonisten der Geschichte dargestellt werden? Wer dazu etwas sagen kann, darf dem DVdrome diesbezüglich gerne eine E-Mail schicken, denn auch der Kritiker lernt gerne dazu!

Vielleicht ist der Stoff aber auch einfach nur unverfilmbar, denn schließlich scheiterte auch Hollywood 1962 an seiner Version kläglich - dabei hatte Hollywood Yul Brynner in der Hauptrolle, der seinerzeit an sich als sichere Bank galt...

FAZIT

Dumpfes Nationalistengesäusel, plump, ohne Gehirn, dumm. 125 Minuten vertane Lebenszeit.



Christian Lukas