Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die weitere Nutzung erklären Sie sich damit einverstanden. Mehr Informationen  
DVDrome - das Blu-Ray und DVD Online-Magazin

REVIEWS



Agent Hamilton   

Agent Hamilton
    
Original: Hamilton - I nationens intresse   (Schweden, 2011)
Laufzeit: ca. 105 Min. (PAL)
Studio: Ascot Elite HE
Regie: Kathrine Windfeld
Darsteller: Mikael Persbrandt, Saba Mubarak, Jason Flemyng, Pernilla August
Format: 2:40:1 (16:9) Widescreen
Ton: DTS 5.1 Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Schwedisch
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of
Preis: ca. 14 Euro
Wertung: 2 / 2 / 2- (Bild/Ton/Extras)


"Schweden-Bond ist kein unschuldiger Killer"

Carl Hamilton ist ein Mann, den es nach schwedischen Gesetzen nicht geben dürfte: Er ist der Mann, der für den Geheimdienst die Drecksarbeit macht. Wenn es etwas zu Vertuschen gibt, oder auch mal einen schwedischen Staatsbürger auf bedenklichen Wegen aus den Händen seiner Entführer zu befreien, ist Carl Hamilton der Mann, der geschickt wird. Aber ist er deshalb so etwas wie ein schwedischer James Bond, als der er gar auf dem DVD-Cover der aktuellen Romanverfilmung dargestellt wird?

Ersonnen hat die Figur der Autor Jan Guillou, der sich selbst als Linker bezeichnet und der Anfang der 1970-er Jahre als junger Journalist enthüllte, dass – ausgerechnet – der schwedische Geheimdienst Informationsbyrån mit Hilfe der regierenden Sozialdemokraten eine Datensammlung über politisch aktive Personen angelegt hatte. Dafür landete Guillou kurzzeitig im Gefängnis. Seltsamerweise scheint in dieser Zeit eine Art Hassliebe zum Geheimdienst entstanden zu sein. Bizarr nämlich ist die Sympathie, die er für Hamilton aufbringt – und dabei auf jeglichen Hurrapatriotismus dennoch verzichtet.

Bereits diverse Agent-Hamilton-Geschichten wurden fürs schwedische Fernsehen verfilmt, sogar der bis dato teuerste schwedische Kinofilm, „Commander Hamilton“ (mit Peter Stormare in der Titelrolle), basiert auf einem von Guillous Romanen. Ein Film, der allerdings niemanden überzeugen konnte, taumelnd zwischen Großmachtsphantasie, Gewaltexzess seltsamer Militarismuskritik, zelebrierte sie doch immer wieder genau diesen Militarismus in durchaus Michael-Bay-affinen Bildern.

Nun hat Mikael Persbrandt (bekannt als Gunvald Larsson aus „Kommissar Beck“) den Job des schwedischen Killeragenten übernommen. Und er lässt den peinlichen „Commander Hamilton“ schon in den ersten Szenen vergessen.

Bei einem Einsatz gegen Waffenschmuggler, denen sich Hamilton anschließt, wird Hamilton in Afghanistan Zeuge eines bizarren Zwischenfalls. Die Schmuggler, die er infiltriert hat, werden selbst Opfer unbekannter Angreifer, die kein Interesse an Zeugen für ihr Handeln haben. Kein Wunder, denn die unbekannten Angreifer sind keine verfeindeten Banditen, sondern definitiv hervorragend ausgebildete westliche Soldaten.

Zurück in Schweden überlegt Hamilton, dem Geheimdienst den Rücken zu kehren. Er, der Killer, hat die Nase voll. Und in Schweden wartet ein Mensch auf ihn, der ihn liebt. Einfach so, ohne etwas von ihm als Gegenleistung zu verlangen. Zum Vergleich: Man stelle sich vor, James Bond kommt von einem Einsatz Heim und überlegt sich – das war’s. Ein Reihenhäuschen, ein Volvo und eine ihn liebende Frau? Warum nicht?

Doch dann schläft Hamilton ein. Erschöpft. Müde. Von Albträumen geplagt. Und als er geweckt wird – tötet er den Menschen, der ihn weckt, aus einem antrainierten Reflex heraus.

Ja, der Held tötet einen unschuldigen Menschen!
Und als Zuschauer ist man ob der Kaltblütigkeit, mit der Hamilton seinen folgenden Nervenzusammenbruch überwindet, durchatmet und seine Tat dann vertuscht, fassungslos. Ebenso fassungslos wie Hamilton, der erkennen muss, dass sein Einsatz für Schweden nicht anderes darstellt als die Suche nach dem eigenen Schicksal, das sich letztlich nur im eigenen Tod erfüllen kann. Oh ja, dieser Agent ist ein ziemlich kaputter Typ. Er ist das, was Kritiker gerne abschätzig als eine Killermaschine bezeichnen. Nur das Persbrandt eben genau diesen Typus von Agenten in diesem Film dargestellt: Hamilton ist eine Killermaschine. Im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen Bond jedoch, ist sich Hamilton dieses Umstandes vollkommen bewusst. Sein Handeln hat nichts Menschliches an sich – er handelt wie eine Maschine. Eine Maschine, die keine Gefangenen macht (die FSK-18-Freigabe hat sich dieser Film redlich verdient, Hamilton bevorzugt es, seine Gegner nicht zu erschießen, sondern das Genick zu brechen). Und Hamilton ist eine Maschine, die viele Feindbilder, aber keine Freunde kennt. Als der Geheimdienst plant, einen in Somalia entführten schwedischen Staatsbürger zu befreien, geht der Geheimdienst einen Deal mit einem privaten Sicherheitsdienst ein. Hamilton soll die Söldner als eine Art inoffizieller Verbindungsmann auf ihrem Einsatz begleiten. Doch während ihres Einsatzes entdeckt Hamilton nicht nur eine zweite westliche Geisel, er erkennt auch Parallelen im militärischen Vorgehen der Söldner zu den Geschehnissen in Afghanistan.

Wenn man über einige kleine Ungereimtheiten in der Geschichte hinwegblickt (wie etwa kommt Hamilton in das Büro eines Waffenherstellers in Schweden, das doch eigentlich wie Ford Knox gesichert sein müsste...?), ist „Agent Hamilton“ ein richtiger Kracher. Dabei spielt Persbrandt Hamilton mit einer solch faszinierenden Mischung aus Brutalität, Kaltblütigkeit und Verletzlichkeit, dass man kaum abwarten kann, den bereits abgedrehten zweiten Teil zu sehen zu bekommen!

BILD

Agent Hamilton

Das Bild ist sehr scharf, manchmal, gerade in den nicht wenigen Wüstenszenen (der Film wurde einem Großteil in Jordanien gedreht), wirkt dies etwas zu körnig, zu konturenreich, es fällt nicht immer leicht, den Blick auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ansonsten lässts ich nichts aussetzen. Der Verleiher hat eine gute Arbeit abgeliefert, die Farben sind klar, in den wenigen Nachtszenen ist keinerleich Blockbildung zu beobachten.

TON

Agent Hamilton

Es empfiehlt sich den Film im schwedischen Original mit Untertiteln zu gucken. Das ist nicht gegen den deutschen Ton an sich gerichtet. Der Film ist hervorragend ausgesteuert, vor allem der Actionsound entwickelt eine einnehmende Tonästhetik - sowohl auf der deutschen als auch der originalen Tonspur. Warum man sich den Film im Original anschauen sollte? Nun ja, wie viele Millionen Menschen auf diesem Planeten sprechen Schwedisch? Neun, maximal zehn Millionen? Wenn Hamilton nun mit den Söldnern arbeitet, deren Anführer ein Brite ist, spricht der seine Sprache fließend. Und wenn er sich mit russischen Waffenschmugglern anfreundet, sprechen die seine Sprache. So scheint es. Im Original jedoch spricht Persbrandt einen Großteil des Filmes über Englisch oder sogar Russisch, einer der teuersten schwedischen Filme aller Zeiten lief in Schweden größtenteils untertitelt. Die Briten sprechen Englisch, die Russen Russisch, Araber Arabisch (bzw. mit Agent Hamilton Englisch). Das ergibt Sinn und verleiht dem Film noch einmal eine ganz eigene Atmosphäre.

EXTRAS

Das Making of gehört zu einem Film wie diesem wie der Rollfilm in die gute alte analoge Kleinbildkamera. Selbstverständlich ist dieses in diesem Fall souverän inszeniert, bietet den (üblichen) Blick hinter die Kulissen, lässt die Darsteller zu Wort kommen, erzeugt nun aber auch kein Aha-Erlebnis. Irgendwie das Übliche also.

FAZIT

Wo amerikanischen Produktionen gerne mit dem Begriff "kompromisslos" werben - nehmen die Schweden den Begriff ernst! Agent Hamilton beweist, dass auch Schweden richtig gute Actionfilme drehen können. Und Mikael Persbrandt ist sowieso einer der Guten seines Fachs.



Christian Lukas