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REVIEWS



Irreversibel   

Irreversibel
    
Original: Irréversible   (Frankreich, 2002)
Laufzeit: 100 Minuten (PAL)
Studio: Legend
Regie: Gaspar Noe
Darsteller: Vincent Cassel, Monica Bellucci, Albert Dupontel, Joe Prestia u.v.a.
Format: 2.35:1 Widescreen (16:9)
Ton: DTS Deutsch DD5.1 Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch
Extras: FX-Doku, nicht verwendete Szene u.m.
Preis: ca. 20 €
Wertung: 1 / 2+/ 3- (Bild/Ton/Extras)


"Im Himmel der Hölle"

Frankreichs’ enfant terrible’ Gaspar Noe ist in Deutschland eigentlich immer noch recht unbekannt. Viel hat der Mann, der in Frankreichs ehemaligem Skandalfilm Nr. 1 “Baise-moi” einen Dankeschön-Credit bekam, eigentlich auch nicht gemacht. Neben einigen Kurzfilmen sorgten allein seine zwei großen Kinofilme für so viel kontroverses Bohei, dass sich sowohl Kritiker als auch das Publikum spalteten. Noes polarisierende Erfolgsformel: schonungslos gezeigte Gewalt eingebettet in eine intelligent gestellte Frage nach dem gesellschaftlichen Nihilismus, den Menschen auf die tragisch banalen Tatsachen seines Lebens reduziert. Oberflächliche Reize bestimmen unser Dasein, während komplexe Beziehungen immer mehr auf ein Macht- und Neidverhältnis reduziert werden, was schließlich in der menschlichen Gesellschaft immer irgendwie in Gewaltakten enden muss. Noes “Irreversibel” sorgte schon 2002 in Cannes für Aufruhr als zahlreiche aufgebrachte Zuschauer die Vorstellung verließen und anscheinend nicht bloß sprichwörtlich den Kopf des Regisseurs forderten. Der Film schildert den folgenschweren Tag im Leben von Markus (Vincent Cassel) und Alex (Monica Bellucci), einem verliebten Pärchen. Mit ihrem gemeinsamen Freund Pierre (Albert Dupontel) gehen sie abends auf eine große Party. Als Alex die Fete allein verlässt, wird sie in einer Unterführung grausamst vergewaltigt und fast totgeschlagen. Markus und Pierre laufen in die Pariser Nacht, um den Täter ausfindig zu machen. “Die Zeit zerstört alles” heißt das Credo von “Irreversibel” und meint auf menschlicher Ebene die Unumkehrbarkeit unserer komplexen wie oft irrationalen Handlungen, die für sich allein betrachtet oft noch schlimmer sind. Eigentlich geht es um die klassische Frage nach dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da? Wer hat zuerst ein Unrecht an wem begangen? Welche Handlung hat was in Bewegung gesetzt? Allein um die emotional-moralische Wertung von einzelnen Handlungen seiner Figuren in Frage zu stellen, erzählt Noe seine Geschichte ähnlich wie “Memento” rückwärts und beginnt mit dem eigentlichen Finale in einem höllisch inszenierten S&M Club namens “Rectum”. Von diesem Abstieg in die Hölle arbeitet sich der Film rückwärts bis zum Schluss des Films - also dem Anfang der Geschichte - in eine Vision himmlischen Glücks vor. Dass knallharte emotionale Wechselbad, in das der Zuschauer dadurch getaucht wird, ist mit kaum einer Filmerfahrung zu vergleichen. Noes bis ins letzte Detail ausgeklügelte Himmel-und-Hölle Szenario glänzt durch seine abgrundtief hässliche “Menschlichkeit”, die einen zwingt, über das filigrane Gerüst unserer eigenen sozialen Maskerade nachzudenken. Ist die “Menschlichkeit” nur ein Märchen, das wir uns im Angesicht der furchterregenden Gewissheit über die sozialdarwinistische Natur unserer Existenz nur erzählen, um bei Verstand zu bleiben? “Irreversibel” ist somit eigentlich mehr eine “Erfahrung” als ein Film, die allein wegen ihrer drastischen Bilder ebenso wenig umkehrbar ist, wie der Verlauf der Zeit selbst.

BILD

Irreversibel

Der anamorphe Transfer (2.35:1) von “Irreversibel” ist brilliant. Die Vorlage ist in absolut bestem Zustand und zeigt den Film so, wie er konzipiert wurde. Das seichte Hintergrundrauschen resultiert nämlich vom Film selbst. “Irreversibel” wurde schließlich komplett auf Super 16 Material gedreht, auf HD-Video zur Nachbearbeitung übertragen und erst ganz zum Schluss auf Super 35 aufgeblasen. Somit bietet der Film insgesamt einen etwas harscheren, leicht grieseligen Look an, der leichte unschärfen absichtlich in Kauf nimmt. Die Farben sind sehr kräftig und wirken nur an den Stellen unnatürlich, wo sie das auch sollen (SM-Club und Unterführung). Der Schwarzlevel ist sehr tief, aber bietet noch genügend Detailerkennung an. Die Kompression ist tadellos und sorgt für ein ruhiges wie artefaktfreies Bild. Sehr gut.

TON

Irreversibel

Wie schon beim Bild lässt sich auch der Audiotrack nur schwer im klassischen Sinn beurteilen. Mit kruden pulsierenden Soundeffekten versehen unterstützt besonders am Anfang der Track die ewig rotierende Kamera. Sound- und Dialogfetzen sind besonders in der Anfangssequenz ständig in Bewegung und überlappen sich. Insgesamt setzt der Track mehr auf ambiente Effekte, wobei die dominante Dialogspur aus dem Center deutlich im Vordergrund steht. Das Gefühl mittendrin zu sein, wird besonders bei der Partyszene vermittelt, bei der sich die Audio-Umgebung ebenfalls sehr gut mit der Kamera bewegt. Das komplette Soundfeld wird dafür ordentlich ausgenutzt. Ein komplexer Ambiente-Mix, der auf klassisch-direktionale Effekte verzichtet. Ein großer Unterschied zwischen dem deutschen DTS- und DD-Track konnte nicht festgestellt werden. Gut.

EXTRAS

An den Extras wurde leider ein bisschen gespart. Vornehmlich ist leider der Audiokommentar von Gaspar Noe nicht auf der DVD von Legend enthalten. Dafür gibt es einen ca. zehnminütigen Clip über die zahlreichen digitalen Manipulationen an dem Film. Effekte-Mann Rodolphe Chabrier erklärt hier recht kompakt die Entwicklung einiger Aufnahmen aus verschiedenen Elementen. Sehr gut. Eine kurze nicht verwendete Szene zeigt die geschundene Monica Bellucci an Schläuchen im Krankenhaus. Der Film kommt aber tatsächlich ohne die Szene besser aus, da weder der Zuschauer noch Markus und Pierre wissen, ob Alex überleben wird. Der Kurzfilm “Intoxication” von Noe zeigt den Aids-kranken Regisseur Stephane Drouot, der fünf Minuten lang über sein Leben und seine künstlerische Arbeit “philosophiert”. Nicht schockierend, aber äußerst befremdlich. Desweiteren gibt es noch zwei Soundtrack-Clips zu sehen, die zwei Musikstücke des Films mit passenden Bildern versorgt. Trailer, Teaser und TV-Spots zu “Irreversible” sind ebenfalls vorhanden.

FAZIT

Mit “Irreversibel” hat Regisseur Gaspar Noe ein kontroverses Meisterwerk abgeliefert, zu dem auf jeden Fall Diskussionsbedarf besteht. Ob man sich den Film selbst “antun” sollte, will in jedem Fall wohl überlegt sein, da “Irreversibel” definitiv ein physischer Angriff auf den Zuschauer ist. Die DVD von Legend spart zwar wichtige Extras der französischen Scheibe aus, aber liefert den Film in perfekter Qualität.



Kay Pinno